Kritik an NATO-Chef: „Es braucht ein bisschen mehr Rückgrat“ - Main contents
Am Rande der Nato-Parlamentarierversammlung (PV) in Istanbul traf der Generalsekretär des Bündnisses, Jens Stoltenberg, mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammen. Trotz einer Aufforderung des Abgeordneten Han ten Broeke, 47, Vorsitzender der niederländischen PV-Delegation, weigerte sich Stoltenberg anschließend, die Verhaftungen von Oppositionellen und Journalisten durch die türkische Regierung öffentlich zu verurteilen.
Das mochte ten Broeke, Politiker der rechtsliberalen Partei VVD, nicht hinnehmen. „Demokratie erfordert ein bisschen Rückgrat“, belehrte er den Nato-Generalsekretär.
Die Welt: Herr ten Broeke, warum scheut sich die Nato, gegenüber der Türkei für Demokratie einzutreten?
Han ten Broeke: Da kann ich nur raten. Natürlich trägt der Nato-Generalsekretär eine andere Verantwortung. Er soll zuvörderst unsere gemeinsamen Interessen im Bündnis vertreten. Damit sind wir auch völlig einverstanden. Die Türkei ist und bleibt außerordentlich wichtig zur Verteidigung unserer Sicherheitsinteressen. Ich verstehe diese Realpolitik.
Aber es gehört auch dazu, dass man nicht nur seine Solidarität mit den Opfern und den mutigen Bürgern zum Ausdruck bringt, die sich dem Putschversuch in der Türkei entgegengestellt haben. Es gilt auch, unsere Sorgen zu artikulieren: Gewählte Politiker sitzen im Gefängnis, in der Türkei sind inzwischen mehr Journalisten inhaftiert als in China und 100.000 Bürger haben ihre Arbeit verloren. Wenn das nicht angesprochen wird, dann verliert die Nato ihren Zweck.
Die Welt: Die Nato will ja nicht nur ein Militärbündnis, sondern auch eine Wertegemeinschaft sein. Ist sie das noch?
ten Broeke: Wir stehen zusammen, um die Freiheit der anderen zu verteidigen. Man kann die Freiheit seiner Nato-Partner aber nicht wahren, wenn man sie nicht in Freiheit verteidigt. Dazu braucht man vielleicht ein bisschen mehr Rückgrat, als sich der Generalsekretär zu zeigen erlaubt hat.
Deshalb habe ich gemeint, ich sollte mich - übrigens im Namen der niederländischen Delegation - so äußern. Der Generalsekretär hat ja dann immerhin betont, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Kernwerte der Nato sind.
Die Welt: Wie war die Resonanz in der PV - und der deutschen Kollegen?
ten Broeke: Es gab viel Beifall. Auch von der deutschen Delegation, die sich hinterher bei mir bedankt hat - wie viele andere.
Die Welt: Was hätten Sie Erdogan gesagt, hätten Sie die Gelegenheit gehabt?
ten Broeke: Der niederländische Außenminister und unser Ministerpräsident gehörten zu den Ersten, die schon in der Nacht des Putsches ihre türkischen Kollegen angerufen haben. Wir haben also unsere Solidarität mit der türkischen Bevölkerung gezeigt.
Ich hätte Herrn Erdogan gern gefragt, ob er jetzt nicht einfach mal unsere Kritik hinnehmen kann. Und ich hätte ihm gesagt, dass der Kampf gegen den Terror etwas anderes ist als eine Säuberung der Gesellschaft. Nato-Mitglieder sollten sich nie dem Vorwurf aussetzen, sie neigten zu altem Sowjet-Stil. Unser Bündnis ist das Gegenteil!
Der Abgeordnete Han ten Broeke ist Vorsitzender der niederländischen PV-Delegation
Zie ook:
Bezoek Nederlandse delegatie aan NAVO parlementaire assemblee